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Der Balanceakt - Schichtarbeit vs. gesunder Schlaf: Kann beides funktionieren?

07.02.2023
Ein Kommentar von Hans L. Malzl, Schlafforscher des Institut Proschlaf im Ärztezentrum Salzburg Schallmoos

Schichtarbeit bedeutet meist einen gestörten Schafrhythmus und die damit einhergehende Müdigkeit – das muss nicht sein! Beobachtungen und daraus resultierende Schlussfolgerungen der Physikalischen Schlafforschung des Instituts Proschlaf in Salzburg relativieren die berechtigte Sorge um den gesunden und erholsamen Schlaf von Schichtarbeitern.

Allgemeine Schlafmechanismen
Eines der natürlichen Erholungsbedürfnisse des Körpers ist die biologische Erholung. Der Körper braucht dazu den so genannten Tiefschlaf, um Körperzellen neu zu bilden beziehungsweise bestehende Zellen durch neue zu ersetzen. Auch die Aufrechterhaltung des Immunsystems und die Regeneration von Zellen erfolgen im Tiefschlaf. Weil der Tiefschlaf für uns lebensnotwendig ist, wurde er von der Natur an die erste Stelle gereiht. So vollzieht sich der Tiefschlaf in der ersten Nachthälfte in wiederholenden Zyklen, während die zweite Nachthälfte dem sogenannten REM-Schlaf in ebenfalls sich wiederholenden Zyklen gewidmet ist. In der REM-Schlaf-Phase werden Informationen in unserem Gehirn verarbeitet, gespeichert und reorganisiert. Somit wird die Zugriffsgeschwindigkeit verkürzt und unnötige Informationen werden aussortiert.

Wie Unterbrechungen den Schlaf stören
Das größte Hindernis in Bezug auf eine erholsame Nachtruhe sind Schlafunterbrechungen zu unpassenden Zeitpunkten. Ein erholsamer Schlaf läuft in 4-5 Zyklen (ein Zyklus besteht im Idealfall aus einer Tief- und aus einer REM-Schlafphase) ab. Da sich die Gehirnaktivität in diesen beiden Schlafphasen stark unterscheidet braucht es eine Übergangsphase von ca. 20-30 Minuten (NONREM—Schlafstadium). Wird in dieser Zeit oder im Tiefschlaf selbst der Schlaf unterbrochen, wird dieser an seine Ausgangsposition zurückversetzt. So muss sich der Schlaf wieder neu aufbauen – mit der Konsequenz, dass wertvoller Tiefschlaf verlorengeht, denn der Körper stellt in der zweiten Nachthälfte automatisch auf REM-Schlaf um.

Alles dreht sich um „Signalgeber“
Die meisten Vorgänge in unserem Körper passieren hormongesteuert. So auch der Schlaf, der durch das Hormon Melatonin gesteuert wird. Allerdings braucht der Körper gewisse Signalgeber, um die Ausschüttung dieses Hormons einzuleiten. Zu den prominentesten Signalgebern gehört die Innere Uhr (zeitliches System des Körpers), die eine 24-Stundenrhythmik aufweist. Dieser Signalgeber ist bei Schichtarbeitern allerdings stark beeinträchtigt, weshalb Schlafprobleme häufig die Folge sind. Doch Beobachtungen und Analysen der Physikalischen Schlafforschung geben Hoffnung. Denn ihr Blick ist auf zwei weitere wichtige Signalgeber gerichtet, die jenen der Inneren Uhr kompensieren könnten: Einerseits die Dunkelheit, also der Wegfall des Lichts, und andererseits eine schnelle Reduzierung der Muskelspannung. Dass man mit dem Abschalten des Lichts schneller einschlafen kann, ist allgemein bekannt. Dass aber auch die Entspannung der Muskulatur den Schlaf schneller herbeiführt, fand in der Schlafwissenschaft bisher kaum Beachtung. Doch dieser durchaus wirkungsvolle Signalgeber lässt sich gut nützen, um insbesondere Schichtarbeitern eine Chance zu bieten, die gestörte Innere Uhr als Signalgeber bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren.

Lösungsansatz Muskelentspannung
Eine entspannte Muskulatur signalisiert dem Gehirn, dass der Körper bereit ist, in den Schlafmodus überzutreten. Damit ein solches „muskuläres Loslassen“ möglich ist, muss der Körper im liegenden Zustand die Halte- und Stützfunktion, die tagsüber von der Muskulatur übernommen wird, an eine äußere Hilfe abgeben können. Die Physikalische Schlafforschung nahm dies zum Anlass, sich um eine verbesserte Schlafplatzgestaltung zu kümmern, sprich eine Technologie zu schaffen, die ein sanftes und druckentlastendes Liegen im eigenen Bett ermöglicht und den Körper gleichzeitig in seine anatomische Grundhaltung bringt. Dadurch können die Muskeln ihre Haltefunktion an das Bett abgeben, wodurch der signalgebende Effekt der Muskelentspannung rascher eintritt. Auf diese Weise gewinnt man einen zusätzlichen Signalgeber zur Ausschüttung von Melatonin – und damit zum Schlafeintritt.

Hilfe für Schichtarbeiter: Gezielt abgestimmte Lagerungshilfen
Für jede Person, die ihren Schlaf verbessern möchte, und deshalb insbesondere für Schichtarbeiter gilt: Je besser eine Lagerungshilfe auf den eigenen Körper abgestimmt ist, und je mehr von solchen individualisierten Lagerungshilfen verwendet werden, desto größer sind der Entspannungs- und Entlastungs-Effekt für den Körper. Schnelles Einschlafen und besseres Durchschlafen finden so optimale Rahmenbedinungen. Zusätzlich zu einer individualisierten Matratze und einem passenden Kopfkissen, können diese Effekte durch ein Oberarm- und durch ein Beinkissen gesteigert werden, die ebenso auf die eigene Anatomie ausgerichtet sind.

Hans Malzl Hans L. Malzl (rechts im Bild neben dem Facharzt für Physikalische Medizin, Dr. M. Müller-Thies) ist Schlafforscher des Institut Proschlafs im Ärztezentrum Schallmoos. Die gewonnenen Erkenntnisse der Physikalischen Schlafforschung gelten für die moderne Wissenschaft als bahnbrechend, da sie die individuelle, bedarfsorientierte Schlafplatzgestaltung möglich machen.

Kategorie Schlafforschung

Schlagwörter Schlafqualität, Schlafforschung, Institut Proschlaf